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Annemarie Zeiller

Kraft / Petz

Guernica

Krieg hieß das Thema der „Österreichischen Triennale zur Fotografie 1993“, zu der Verena Kraft und Kurt Petz eingeladen waren. Die beiden entwickelten daraufhin eine Arbeit zur Bombardierung der baskischen Stadt Gernika, die im Spanischen Bürgerkrieg durch die von General Franco zu Hilfe gerufene deutsche Luftwaffe weitgehend zerstört wurde.

Entsprechend seiner Überzeugung, dass Picasso in seinem Gemälde Guernica hierzu noch nicht alles gesagt habe, schuf das Künstlerpaar ein inhaltlich wie formal völlig anderes Werk. Um Gewalt und Krieg darzustellen, kennt die Kunstgeschichte verschiedene Möglichkeiten. Religiös oder schicksalhaft begründet, künden Apokalyptische Reiter und Kriegsgott Mars von der Unberechenbarkeit der Katastrophen. Beispiele von Dürer und Rubens zeigen eine Fülle hiermit verbundener Gedanken. Durch die schockierende Vorführung konkreter Gräuel klagen Künstler seit Callot und Goya an. Picasso stellt die persönliche Betroffenheit ins Bild. Doch mit Stier und Pferd vermag er trotz des emotionalen Bezugs auf die reale Begebenheit nicht mehr zu erklären als andere Künstler vor ihm mit griechischer Mythologie. Verena Kraft und Kurt Petz befragten mit den Mitteln der Kunst die unverwechselbaren Umstände des Kriegsverbrechens an der baskischen Stadt Gernika.

Am 26. April 1937 kamen die Flugzeuge der deutschen Legion Condor von Norden. Die Bomber zerstörten mit dem Abwurf ihrer Last große Teile der heiligen Stadt der Basken. Weil Markttag war und zudem Flüchtlinge aus kurz zuvor zerbombten benachbarten baskischen Städten in Gernika Schutz gesucht hatten, gab es bei dem Angriff viele Tote.

Erstaunlicherweise blieben Parlament und heilige Eiche, unter der in früheren Zeiten die spanischen Könige die Einhaltung der baskischen Sonderrechte geschworen hatten, verschont. Auch eine kleine Brücke auf einem Zugangsweg wurde nicht getroffen. Menschen, die in der Umgebung unterwegs waren, wurden aus Kampfflugzeugen beschossen. Mit gezielten militärischen Operationen im Norden Spaniens sollten die im Bürgerkrieg auf Seiten der legalen spanischen Volksfrontregierung stehenden Basken demoralisiert werden. Zufällig anwesende britische Journalisten hatten über die Bombardierung Gernikas zeitnah und ausführlich berichtet. Nach ihrem Sieg rechneten Franco und seine Generäle mit dem Vergessen des Unrechts zur Verteidigung, das zur Verteidigung von überholten gesellschaftlichen Strukturen geschehen war. Daher wurde Gernika gegen den Willen seiner Stadträte wieder im alten Stil aufgebaut. Doch Geschichte lässt sich nicht wirklich unsichtbar machen. Hier setzten Verena Kraft und Kurt Petz an. Kurt Petz fuhr nach Gernika und fotografierte die menschenleere Gegend um den Ort, nach Norden, Osten, Süden und Westen hin. 1993 in Graz bedeckten sie die entwickelten Fotografien im Format 125 x 200 cm mit Schablonen, die Schemen der im Spanischen Bürgerkrieg eingesetzten deutschen Flugzeuge freiließen. Unter starker Lichtbestrahlung veränderten die ungeschützten Stellen nach und nach ihre Farbe. Die Formen der Kampfflugzeuge Heinkel 59 und Messerschmidt 109 sowie der Bomber Heinkel 111 und Junkers 52 traten als verblichene Farbfelder in Erscheinung.

Der in der Grazer Ausstellung vollzogene Zerstörungsprozess ist zweifach zu deuten. Einmal bildet er die Gewalt, die 1937 im Baskenland stattfand, symbolisch nach. Zum anderen beinhalten die Umrisse der einzelnen Flugzeuge in den Landschaftsfotografien einen Vergleich mit dem Einfluss des Vergangenen auf das Gegenwärtige. Obwohl inzwischen die Spuren der Kampfhandlungen verwischt sind, verschwindet die Tatsache des Geschehenen niemals. Das im Atelier geplante, danach am ehemaligen Kriegsschauplatz und im Ausstellungsraum entstandene vierteilige Werk steht für eine dezidierte kunsttheoretische Position. Im Streit, ob direktes Engagement der Kunst zugerechnet werden könne, oder andererseits eine nur allgemeine Aussage zu wenig beinhalte, bieten Verena Kraft und Kurt Petz ihre Lösung an. Sie kehren die Vorgehensweise, das Besondere in der allgemeinen Formulierung aufzuheben, um. Den Grundsatz, dass Schuld nicht vergessen werden darf, verbildlichen sie mit den Elementen des konkreten Ereignisses. Schlicht Ausbleichverfahren haben Verena Kraft und Kurt Petz ihr hierfür angewandtes, bereits früher von ihnen erdachtes, künstlerisches Verfahren genannt. Erstmals entstand 1991 die Serie Hommage à Lucio Fontana, für die sie monochrome Foto-Prints bis auf einen Spalt abdeckten, um diesen mit Hilfe von Kunstlicht farblich zu verändern. 1998/1999 bei der Werkserie Goethes Reise um die Welt sollte es die Sonne sein, die in Städten wie Kairo, Athen oder Bombay Stiehlers Portrait von Goethe auf unterschiedlich monochromen Foto-Prints erscheinen ließ. Auch bei diesen Arbeiten erzeugt die bewusste Manipulation des natürlichen Vorgangs den Inhalt.

Bald nach ihrer Entstehung wurden die vier Fotoarbeiten Guernica von Verena Kraft und Kurt Petz 1994 in Paris und 1995 in Verdun gezeigt. 1995 im Gasteig in München und 1997 in Berlin waren mit deren Ausstellung Diskussionen und Vorträge um die Bombardierung und deren Geschichte verbunden. Immer wieder führten die Künstler ihr Werk zu seinem Ursprung zurück. 2002 wurde es mit Unterstützung des Madrider Goethe-Instituts im Kulturhaus in Gernika-Lumo ausgestellt. Dessen Direktor Ricardo Abaunza nennt im begleitenden Katalog die Landschaften um Gernika, die auf den Fotografien zu sehen sind, mit Namen: „im Norden Forua, im Süden die Ebene von Arene, im Osten die Ebene von Ajangiz und im Westen Lumo“. Aus diesen Worten spricht eine Akzeptanz des Werkes, das von Verena Kraft und Kurt Petz für die Basken geschaffen wurde, durch die Adressaten. Wie eine Bestätigung lesen sich auch die abschließenden Worte von Abaunza: „Man hat einen Teil unseres Himmels entleert und jetzt, nachdem so viel Zeit vergangen ist, ist dieses Gefühl Bestandteil unseres Erinnerns geworden.“